Am 16.05.2023 fand im Rahmen der diesjährigen AHV NRW Veranstaltungsreihe Fit for Trade / Vermittlung von Grundlagenwissen für Nachwuchskräfte das zweite Webinar statt.

Thema war Lieferantenerklärungen, Warenursprung und deren pragmatische Anwendung in der Praxis. Die EU hat mit zahlreichen Ländern und Ländergruppen Abkommen abgeschlossen, die Zollvergünstigungen in Form von Präferenzzöllen beinhalten. Lieferantenerklärungen können nur von in der EU ansässigen Unternehmen an andere in der EU ansässigen Unternehmen ausgestellt werden.

Unser Referent, Herr Bernhard Morawetz, MAB Morawetz Außenhandels-Beratung, begann seinen Vortrag damit, dass er die drei Ebenen des Warenursprungs: Herkunft einer Ware (Made in…), nichtpräferenzieller Warenursprung und den präferenziellen Warenursprung skizziert hat.

Der Nichtpräferenzieller Ursprung im Unionszollkodex (UZK) besagt, dass Waren, an deren Herstellung mehr als ein Land oder Gebiet beteiligt ist, als Ursprungswaren des Landes oder Gebiets gelten, in dem sie der letzten wesentlichen, wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen wurden, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen wurde und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt. Dabei überschreitet eine „Be- oder Verarbeitung“ die Minimalbehandlung wie z.B. um- oder abfüllen bzw. verpacken einer Ware.

Wird ein EU-Präferenzursprung durch eine Lieferantenerklärung bescheinigt, so wird ein Steuervorteil im Einfuhrland gewährleistet. Eine zwingende Voraussetzung für die Ausstellung einer fehlerfreien Lieferantenerklärung ist die Zolltarifnummer. Bei der Eintarifierung steht die Funktion und die charakteristische Eigenschaft der jeweiligen Ware im Fokus.  Anhand der sauberen Zolltarifnummer können die Regeln für den präferenziellen Ursprung geprüft werden. Diese sind in der amtlichen und öffentlich zugänglichen Zoll-Datenbankhinterlegt und geben durch Suchfunktionen schnell einen Überblick, ob die Ware für das Bestimmungsland meines Kunden präferenzbegünstigt ist oder nicht.

Die Nachweisführung beim Ursprung von Handelsware ist durch ein Ursprungszeugnis oder einer Lieferantenerklärung mit bzw. ohne Präferenz zu führen, wenn die Ware entweder im Drittland oder in der EU eingekauft wurde.

Wird die Ware in der EU eingekauft, so ist bei der Auslieferung in ein EU-Präferenzland die EUR 1 oder ein Ursprungszeugnis erforderlich. Je nachdem ob der präferenzielle oder nichtpräferenzielle Ursprung nachgewiesen werden kann.

Voraussetzung hierfür ist wiederum eine Lieferantenerklärung. Die EUR 1 (EUR-MED) ist eine Urkunde, die bei der lokalen Zollbehörde beantragt und gestempelt werden muss. Dies ist der Normalfall, wenn die präferenzbegünstigte Warenlieferung einen Wert von derzeit 6.000,- Euro überschreitet.

Bei der Eigenfertigung spielen die jeweiligen Präferenzregeln eine wichtige Rolle. So muss innerbetrieblich nachweisbar sein, wie man kalkuliert hat, um die jeweilige Präferenzregel zu erfüllen.

Als Ergebnis bleibt u.a. festzuhalten, dass Lieferantenerklärungen und Präferenzpapiere steuer- und zollrelevante Dokumente sind, mit entsprechenden inhaltlichen und formalen Anforderungen.

Zu Unrecht ausgestellte Lieferantenerklärungen oder EUR 1 können folgende Konsequenzen nach sich ziehen:

Steuerrechtlich: Der Präferenznachweis wird zurückgenommen und die Ware muss im Einfuhrstaat nachträglich verzollt werden.

Strafrechtlich: Es kann eine Mitwirkung an einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nach der Abgabenordnung (AO) vorliegen

Zivilrechtlich: Die erklärte Präferenzeigenschaft kann als zugesicherte Eigenschaft angesehen werden. Ist eine zugesicherte Eigenschaft jedoch nicht gegeben, ist eine Ware mangelhaft. Der Verkäufer kann unter Umständen nach § 437 BGB schadensersatzpflichtig sind.

Mit einem bunten Strauß an praktischen Handlungsempfehlungen konnten Fragen aus dem Teilnehmerkreis beantwortet und einige Fallkonstellationen aus der Praxis durchgespielt werden. Es gilt auch hier der Grundsatz: Export und Import ist Teamsport! Der grenzüberschreitende Handel muss fachbereichs- bzw. abteilungsübergreifend gedacht, gelebt und organisiert sein. Einkauf, Finanzen, Vertrieb und Logistik müssen miteinander kommunizieren, um die immer komplexer werdenden gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.

Der Außenhandelsverband Nordrhein-Westfalen (AHV NRW e. V.) bietet qualifizierten Nachwuchskräften und Seiteneinsteigern in international tätigen Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen ein zielgerichtetes Weiterbildungsangebot an. Dabei wird auf aktuelle Entwicklungen in der Außenhandelspraxis eingegangen, wie z.B. Russland-Sanktionen, Preisanpassungsklauseln bei Lieferverträgen u.v.m. Im Fokus der Online-Veranstaltungsreihe steht die Vermittlung von Grundlagenwissen im Außenhandel. Der AHV NRW arbeitet mit qualifizierten und erfahrenen Dozenten aus der Außenhandelspraxis zusammen.

Das nächste Fit for Trade Seminar findet am 22.08.2023 in zum Thema: Exportkontrolle statt. Aufgrund der Komplexität und Aktualität findet das Seminar in Präsenz statt, im Industrie-Club Gelsenkirchen.

Weitere Infos unter: https://ahv.nrw/nachwuchsfoerderung/