• Zahlungsmoralbarometer: 8 % der Forderungen der befragten deutschen Unternehmen in den vergangen zwölf Monaten uneinbringlich
  • 51 % der Außenstände in den vergangenen zwölf Monaten am Fälligkeitstag noch nicht bezahlt (Vorjahresbefragung: 31 %)
  • Unternehmen setzen vermehrt auf Lieferantenkredite als Reaktion auf steigende Zinsen und restriktivere Kreditvergaben durch Banken
  • Im Rahmen der Umfrage wurden Unternehmen aus 14 Ländern befragt

Die Zahlungsmoral in Westeuropa verschlechtert sich – und deutsche Lieferanten sind in erheblichem Maße davon betroffen. Das zeigt die aktuelle Zahlungsmoralbarometer-Studie von Atradius. Die im Auftrag des internationalen Kreditversicherers befragten deutschen Unternehmen konnten zuletzt 8 % ihrer Außenstände nicht einziehen und mussten sie als Verlust abschreiben, was einem Anstieg von 60 % gegenüber der letztjährigen Befragung entspricht. Auch die Zahlungsverzögerungen haben zugenommen: Bei den deutschen Firmen waren in den zurückliegenden zwölf Monaten 51 % der Rechnungen am Fälligkeitstag noch nicht bezahlt. Umgerechnet bedeutet das eine Erhöhung bei den verspäteten Zahlungen von 65 % der gegenüber der Vorjahresbefragung. Damit hat sich die Zahlungsmoral in Deutschland überdurchschnittlich stark eingetrübt: Im westeuropäischen Durchschnitt der Atradius-Studie lag der Anstieg der verspäteten Zahlungen zuletzt bei 20 %.

„Die aktuellen Zahlungsmoralbarometerergebnisse zeigen, dass sich die finanzielle Lage vieler Firmen in Deutschland zuspitzt. Rund die Hälfte der interviewten Unternehmen gibt an, dass Liquiditätsengpässe bei ihren Kunden die Zahlungsmoral zuletzt verschlechtert haben. Die Hauptursachen hierfür sind die hohe Inflation und die steigenden Zinsen, sie belasten die Zahlungsfähigkeit vieler Unternehmen“, sagt Frank Liebold, Country Director Deutschland der Atradius Kreditversicherung. „Gleichzeitig agieren die Banken angesichts steigender Unsicherheiten jetzt wieder restriktiver bei der Kreditvergabe. Wir gehen davon aus, dass sich die finanzielle Situation deutscher Firmen in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr verschlechtern wird und es zu mehr Insolvenzen kommen wird.“

Lieferantenkredite sind derzeit das bevorzugte Mittel, um Cashflow aufrechtzuerhalten
Die Atradius-Befragung zeigt auch, dass Unternehmen angesichts der zuletzt verhaltenen wirtschaftlichen Entwicklung Gegenmaßnahmen ergreifen, um ihren Cashflow aufrechtzuerhalten. Dabei setzen sie vor allem auf so genannte Warenkredite von ihren Lieferanten, die bei Geschäften mit Zahlungsziel nach erfolgter Lieferung oder Dienstleistung entstehen. So ist der Anteil der befragten deutschen Firmen, die von ihren Lieferanten Warenkredite und die Bezahlung auf Rechnung verlangen, auf 49 % gestiegen. Gleichzeitig gaben 75 % der befragten Unternehmen an, dass sie ihren Kunden zuletzt kürzere Zahlungsziele gewährt haben. Die durchschnittliche Zahlungsfrist bei den befragten deutschen Firmen verkürzte sich zuletzt auf 30 Tage.

„Zahlungsziele einzuräumen kann im Wettbewerb um Aufträge ein echter Vorteil sein und gerade in der derzeitigen wirtschaftlichen Schwächephase wichtige Umsätze sichern“, erläutert Frank Liebold. „Jedoch besteht dann immer auch das Risiko, dass ein Abnehmer in die Insolvenz rutscht und eine Lieferung nicht mehr bezahlt wird. Wir bei Atradius können mit unserer Expertise sehr präzise vorhersagen, wie wahrscheinlich ein solcher Zahlungsausfall ist und sichern Lieferanten für solche Fälle ab, so dass ihr Cashflow nicht gefährdet wird.“

Ausblick: Auftragslage soll sich gut entwickeln, Zahlungsmoral bleibt verhalten
Nach ihren Erwartungen für die kommenden zwölf Monate befragt, gaben 59 % der befragten Unternehmen an, dass sie mit mehr Umsätzen als im vergangenen Jahr rechnen (32 %: keine Veränderung, 9 %: Verschlechterung). Gleichzeitig gehen aber 38 % davon aus, dass sich die Zahlungsmoral ihrer Firmenkunden verschlechtert – ein überdurchschnittlicher Anteil. 42 % erwarten ein gleichbleibendes Zahlungsverhalten, nur 20 % eine Verbesserung.

Als größte Herausforderungen der kommenden Monate sehen die befragten deutschen Firmen die Energiekrise: Neben den Strom- und Gaspreisen ist vor allem die chemische Industrie besorgt um das Thema Speicherung von nachhaltiger Energie. Darüber hinaus wächst über alle Branchen hinweg die Sorge über steigenden Wettbewerbsdruck angesichts zunehmender Kosten. Zudem rechnet Atradius mit weltweit zunehmenden Insolvenzen in diesem Jahr, was die exportabhängige deutsche Wirtschaft weiter trifft. „Deutschlands Wirtschaft ist weiterhin zahlreichen Unsicherheiten ausgesetzt, die die finanzielle Stabilität der hiesigen Unternehmen massiv beeinträchtigen können. In den vergangenen Monaten haben wir mehrfach beobachtet, dass angesichts fehlender Liquidität ein Großteil der Barmittel für das Tagesgeschäft verwendet wird und für Investitionen nicht mehr genügend liquide Mittel übrig sind. Das kann negative Folgen für das Unternehmenswachstum nach sich ziehen und langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland schwächen“, fasst Frank Liebold die Ergebnisse zusammen.

Das Atradius-Zahlungsmoralbarometer Deutschland 2023
Das Atradius Zahlungsmoralbarometer Deutschland ist Teil der aktuellen Zahlungsmoralbarometer-Studie Westeuropa des internationalen Kreditversicherers Atradius. Für die Studie wurden Unternehmen in insgesamt 14 Märkten zum Zahlungsverhalten im Firmengeschäft befragt: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz, Spanien, dem Vereinigtes Königreich und zum ersten Mal auch Finnland. In Deutschland wurden insgesamt 248 Unternehmen befragt aus der Industrie, dem Einzel- und dem Großhandel. Die Größe der befragten Unternehmen reichte von kleinen Unternehmen bis hin zu großen Konzernen. Alle Befragungsergebnisse des Atradius-Zahlungsmoralbarometers Deutschland 2023 finden Sie in der beigefügten Datei.