Das vorliegende Gutachten, im Auftrag der Atlantik Brücke e. V., untersucht den deutschen Erdgasbedarf sowie bestehenden Lieferbeziehungen, mit Fokus auf russische Gasimporte. Darüber hinaus werden die aktuelle Situation auf Grundlage bestehender Szenarioanalysen möglicher Lieferunterbrechungen eingeordnet und erste Handlungsempfehlungen aufgezeigt.

Status Quo:
Erdgas machte 2020 26 % des deutschen Primärenergiebedarfs aus. Hauptsächlich wird Gas zur Wärmeerzeugung und in der mittleren Frist auch verstärkt bei der Stromversorgung benötigt. Russland liefert dabei über die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Erdgases, welches wiederum ein Viertel der russischen Gasexporte ausmacht.

Erdgasinfrastruktur:
Neben den Importrouten für russische Gaslieferungen nach Europa bestehen weitere Pipelineverbindungen nach Norwegen, Nordafrika und Aserbaidschan. Daneben bestehen umfangreiche Kapazitäten zur Regasifizierung von Flüssiggas (LNG), vor allem in Südeuropa. Insgesamt waren diese Importkapazitäten 2021 zu 54 % ausgelastet. Der Füllstand der deutschen Speicher lag zu Beginn des Winters mit 67 % deutlich unter den Werten der Vorjahre von über 95 %, ähnlich sieht es in den europäischen Nachbarländern aus.

Unterbrechungsszenarien:Modellierungen einer temporären Stilllegung der ukrainischen Transitroute zufolge sind nur geringe Versorgungsengpässe in einigen europäischen Staaten zu befürchten. Vor allem werden Auswirkungen auf die Gaspreise und Speicherstände erwartet. Ein gänzlicher Ausfall russischer Gasimporte dagegen wird zu Engpässen in mehreren europäischen Ländern führen, unter anderem in Deutschland. Wie lange Deutschland mit Hilfe der gut ausgebauten Gasinfrastruktur in diesem Fall vor Versorgungslücken geschützt ist, hängt von den verfügbaren LNG-Importen, Speicherständen und der Entwicklung der Außentemperaturen ab.

Aktuelle Situation:Die Ergebnisse der betrachteten Szenarioanalysen lassen sich nicht 1:1 auf die aktuelle Situation übertragen. Hauptsächlich da die aktuell sehr niedrigen Speicherstände darin nicht zugrunde gelegt werden. Allerdings sind die weltweit gehandelten LNG-Mengen über die letzten Jahre stark gestiegen und in den letzten Wochen ist bereits ein deutlicher An-stieg der LNG-Importe nach Europa zu beobachten. Ebenso sind im aktuellen Winter bisher relativ milde Temperaturen zu beobachten.

Handlungsoptionen:
Im Falle unvermeidbarer Versorgungslücken stehen kurzfristig Reservekraftwerke zur Verfügung, um mindestens ein Viertel des Gasbedarfs in der Stromerzeugung zu ersetzen. Zudem wird die Versorgung von privaten Haushalten und sozialen Diensten priorisiert. Darüber hinaus sollten durch Mindestfüllstände der Gasspeicher bereits im nächsten Winter Knappheiten vermieden werden. Langfristig gilt es den Erdgasbezug auch mithilfe von LNG zu diversifizieren und den Bedarf durch den Ausbau Erneuerbarer Energien zu senken.

Quelle:
Institut der Deutschen Wirtschaft
(Februar 2022)

https://www.iwkoeln.de/studien/andreas-fischer-malte-kueper-die-bedeutung-russischer-gaslieferungen-fuer-die-deutsche-energieversorgung.html