Wie lassen sich die international vereinbarten Klimaziele in Einklang bringen mit weltweit wachsendem Energiebedarf?

In der April-Sitzung des Interministeriellen Ausschusses (IMA) für Exportkreditgarantien gab der Executive Vice President Finance der Siemens Energy AG Jörg Steinhäuser einen Ausblick auf die Energieversorgung weltweit. Er machte die Herausforderungen an vier Trends fest: Demand, Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung.

Demand growth (steigende Nachfrage):
Bis 2040 muss bis zu 50 % mehr Energie produziert werden. Allein in den kommenden acht Jahren nimmt der Energiebedarf jährlich um 3 % zu – 1.000 Terawattstunden (TWh) müssen jedes Jahr zusätzlich produziert werden, um den Energiebedarf der wachsenden Weltbevölkerung decken zu können.

Dekarbonisierung:
Dem Anstieg an Energiebedarf pro Jahr steht das politische Ziel gegenüber, 8 % CO2-Emissionen jährlich einzusparen, um das 1,5°C-Ziel bis 2050 erreichen zu können. Daraus ergibt sich ein extremer Bedarf an klimaneutraler Energieversorgung. Wie können wir den wachsenden Strombedarf decken und gleichzeitig den Weg gestalten in eine klimafreundliche Zukunft – nachhaltig, bezahlbar und zuverlässig?

Neben dem massiven Ausbau erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung wird daher auch an umweltfreundlichen Alternativen gearbeitet, wie elektrischen Schiffsantrieben oder auch mit Landstromanschlüssen am Hamburger Hafen für Kreuzfahrtschiffe – wichtige Beispiele entlang der Kette, um Emissionen zu senken. H2-ready Gaskraftwerke mit Erdgas als Brückenbrennstoff werden dabei eine wichtige Rolle spielen, um große Mengen an erneuerbarem Strom zu ermöglichen.

Dezentralisierung:
In der Vergangenheit bildeten (wenige) große, konventionelle Kraftwerke das Zentrum der Energieversorgung. Die Erzeugung erfolgte in der Regel nahe der Lastzentren. Das verändert sich grundlegend: Heutehaben wir ein wesentlich komplexeres System zur Energieerzeugung. Künftig werden verschiedene Erzeugungsarten kombiniert werden müssen. Die Einspeisung hat sich beispielsweise durch die Nutzung von Sonnenenergie oder den Anschluss von Windparks auf immer mehr Orte und Energiequellen differenziert.

Digitalisierung:

Angesichts des wachsenden Bedarfs an Energie und der dezentralen Erzeugung wird Digitalisierung für die Steuerung und Stabilisierung der dezentralen Stromnetze immer wichtiger. Die Einspeisungen erneuerbarer Energiequellen, z.B. Sonnen- oder Windenergie, unterliegen starken Schwankungen. Neben der disponiblen Erzeugung in Kraftwerken ist daher auch ein Einspeise- und Lastmanagement essenziell, damit die Lichter in den Haushalten oder Produktionsstätten nicht ausgehen (Blackout-Vermeidung) oder die Netze Schaden nehmen.

Ausblick auf Rohstoffbedarf für Zukunftstechnologien:
Der Bedarf an Kupfer und Stahl wird massiv zunehmen. Das wird am Beispiel von Photovoltaik- und Windkraftanlagenausbau besonders deutlich: Allein für die Realisierung der geplanten Hochspannungs-Gleichstrom Projekte (Onshore & Offshore) bis 2035 in Deutschland braucht es Schätzungen zufolge ca. 64.0000 Tonnen Kupfer, die einem Äquivalent von 12 Millionen Elektroautos entsprechen sowie rund 15,6 Millionen Tonnen Stahl – das 200-fache dessen, was am Berliner Flughafen verbaut wurde.

Die aktuelle politische Situation führt mit Ausfall der Stahlwerke im Donbass schon jetzt zu erheblichen Lieferengpässen. „Kurzfristig kann diese Situation zu Verzögerungen oder zur Nicht-Realisierung von Beschleunigungen führen. In jedem Fall wird es unumgänglich sein, auch auf fossile Energie zurückzugreifen. Mittelfristig führt eine solche Situation sicherlich bei hohen Rohstoffpreisen auch zu steigenden Kosten für die Verbraucher“, sagte Steinhäuser mit Blick auf die nächsten Jahrzehnte.

Quelle:
AGA-Report Nr. 328 / Ausgabe April 2022
Exportkreditgarantien der Bundesrepublik Deutschland