Rückblick / Fit for Trade in der Exportkontrolle
Am 17.09.2024 fand im Industrie-Club Gelsenkirchen das Fit for Trade Seminar Exportkontrolle in der Auftragsbearbeitung statt. Referentin war Frau Dr. Talke Ovie, Rechtsanwältin bei HARNISCHMACHER LÖER WENSING mit Sitz in Münster.
Zu Beginn ging Frau Dr. Ovie auf die Rechtsgrundlagen der Exportkontrolle ein. Der Außenwirtschaftsverkehr ist nach § 1 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) grundsätzlich frei. Jedoch gibt es eine Reihe von Beschränkungen, die von den Wirtschaftsbeteiligten zu beachten sind. Die Exportkontrolle ist aufgrund geopolitischer Konflikte im stetigen Wandel. Zwar mag sich die grundsätzliche Systematik der Exportkontrolle nicht wesentlich ändern. Allerdings ändern sich regelmäßig die Exportkontrollgesetze sowie (potentiell) auch die Geschäftsvorfälle, so dass ein juristisches Grundwissen in der Exportkontrolle unerlässlich ist.
Aus der Perspektive einer Außenwirtschaftsprüfung ging Frau Dr. Ovie anschließend im Detail darauf ein, wie die Exportkontrolle im Unternehmen funktionieren sollte:
Die Exportkontrolle in der Auftragsbearbeitung beginnt zum frühestmöglichen Zeitpunkt und betrifft nicht nur den klassischen Vertrieb, sondern auch die Funktionsbereiche wie z.B. Einkauf, Rechnungswesen, Forschung & Entwicklung, Auftragsabwicklung und Logistik. Bereits die Geschäftsanbahnung kann exportkontrollrelevant sein. In jedem Fall ist bereits eine Anfrage / ein Angebot exportkontrollrechtlich zu bewerten. Daher kommt dem Internal Compliance Program (ICP) und der Arbeits- und Organisationsanweisung (A & O) unabhängig der Unternehmensgröße eine besondere Rolle zu. Hier ist neben einer Prozessbeschreibung festzuhalten, wer im Unternehmen zu welchem Zeitpunkt für die Sanktions- und Güterlistenprüfung verantwortlich ist? Wie wird sichergestellt, dass ein rechtswidriger Technologietransfer verhindert wird? Wer ist für die Eintarifierung der Waren verantwortlich? Der jeweilige Prüfungspfad und das jeweilige Ergebnis sind zu dokumentieren.
Anschließend wurde auf die Systematik der Exportkontrolle eingegangen. Die Unterteilung in personen-, länder-, güter-, verwendungs- sowie dienstleistungsbezogene Exportkontrolle wurde untereinander abgegrenzt und mit Beispielen aus der Praxis unterfüttert. Hilfsmittel zur Güter- und Sanktionslistenprüfung, auch die der BAFA, wurden kurz vorgestellt. Die Unterscheidung zwischen dem „unmittelbaren“ und „mittelbaren Bereitstellungsverbot“ nahm in ihren Ausführungen einen breiten Raum ein und entfachte eine Reihe von praktischen Fragen aus dem Teilnehmerkreis. Wichtig ist es, im Unternehmen Awareness für „mittelbares Bereitstellungsverbot“ zu schaffen. Die Außenwirtschaftsprüfung wird fragen, wie das Unternehmen organisatorisch verhindert, gegen ein mittelbares Bereitstellungsverbot zu verstoßen. Alle exportkontrollrelevanten Informationen, die im Unternehmen vorliegen, sind zu bewerten. Im Einzelfall ist zu dokumentieren, dass keine Anhaltspunkte für eine mittelbare Bereitstellung vorliegen. Die Ausgestaltung der damit verbundenen Sorgfaltspflicht ist mit Augenmaß Rechnung zu tragen.
Um Risiken in der Exportkontrolle einschließlich Sanktionen abzufedern, bietet es sich einzelfallbezogen an, Vertragsklauseln aufzunehmen und Endverbleibserklärungen (EUC´s) einzufordern. Bei einer vertraglichen Vereinbarung, eine Endverbleibeserklärung beizubringen, liegt das Problem darin, dass jeder etwas anderes darunter versteht. Daher sind diese einzelfallbezogen schriftlich auszuformulieren. Auf die Bedeutung sog. „Red Flags“, die z.B. durch ungewöhnliche Bestellvorgänge der Kunden entstehen können, wurde ebenfalls eingegangen.
Im letzten Teil wurden praktische Fälle durchgespielt und Fragen beantwortet. Wichtige Aussagen waren u.a. dass eine vom BAFA erteilte Ausfuhrgenehmigung ihre Gültigkeit verliert, sobald ein Parameter des zugrunde liegenden Geschäfts geändert wird. Unabhängig davon empfiehlt es sich am Tag der Ausfuhr letztmalig den Geschäftsvorfall auf die Einhaltung exportkontrollrechtlicher Vorschriften zu überprüfen.
Frau Dr. Ovie gab während des Seminars viele praktische Handlungsempfehlungen. Aspekte, wie mit Arbeitsfehlern umzugehen ist, rundeten das Fit for Trade Seminar ab. Die teilnehmenden Personen wurden somit „fit for trade“ gemacht. Wenn das Grundgerüst der Exportkontrolle im Unternehmen verankert ist, dann gilt es, am Ball zu bleiben. Änderungen bei den Güter- und Sanktionslisten sind stets zu beachten. Für ein gelebtes ICP muss sichergestellt werden, dass das Personal regelmäßig geschult wird, insbesondere unter Einbeziehung von Technologietransfer und technischer Unterstützung.
Der Außenhandelsverband Nordrhein-Westfalen (AHV NRW e. V.) bietet qualifizierten Nachwuchskräften und Seiteneinsteigern in international tätigen Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen ein zielgerichtetes Weiterbildungsangebot an. Dabei wird auf aktuelle Entwicklungen in der Außenhandelspraxis eingegangen, wie z.B. Russland-Sanktionen, Preisanpassungsklauseln bei Lieferverträgen u.v.m. Der AHV NRW arbeitet mit qualifizierten und erfahrenen Dozenten aus der Außenhandelspraxis zusammen.
Die nächste Fit for Trade Veranstaltung findet wieder als Webinar statt. Am 07.10.2024 geht es um das Thema: Vertragscontrolling im Auslandsgeschäft (II. Teil).
Ansprechpartner:
Andreas Mühlberg
Geschäftsführer
Außenhandelsverband Nordrhein-Westfalen (AHV NRW e. V.)
Achenbachstraße 28
40237 Düsseldorf
E-Mail: andreas.muehlberg@ahv.nrw
Tel.: +49 211 66908-28