Coface führt Deutschland nicht mehr in der besten Länderkategorie. Der internationale Kreditversicherer hat die Bundesrepublik von A1 in A2 herabgestuft.

„Die veränderte Länderbewertung steht im Zusammenhang mit einem deutlich erhöhten Risiko in wichtigen Branchen“, erklärt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg. So wurden die Sektoren Automobil und Metall sowie Pharma und Informations- und Kommunikationstechnologie ebenfalls herabgestuft. Neben Deutschland wurde auch die Bewertung von Österreich von A1 ins A2 nach unten korrigiert. Die Automobilbranche erfuhr eine Herabstufung in 13 Ländern.

Die in Teilbereichen eng miteinander verbundenen Branchen Automotive und Metall führt Coface in der Branchenbewertung für Deutschland nun in der Kategorie „hohes Risiko“. Die Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Pharma wurden auf „mittleres Risiko“ herabgestuft. Die Länderbewertung erfolgt in den Stufen A1 bis A4, B, C, D und E. Die Branchenrisiken erfasst der Kreditversicherer in „sehr hoch“, „hoch“, „mittel“ und „gering“. Anders als die Länderratings der Ratingagenturen macht die Länderbewertung von Coface keine Aussage zur Staatsbonität oder über den Wert von Staatsanleihen. Coface bemisst das Risiko für Unternehmen, bei Geschäften mit Abnehmern in einem Land Forderungsverluste zu erleiden. Die Volkswirte untersuchen neben der wirtschaftlichen und politischen Situation in 161 Ländern auch die Entwicklung von 13 Branchen in 26 Ländern. Dieser Ausschnitt erfasst rund 85 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.

Automotive Motor der Abschwächung
Zwar profitiere die deutsche Wirtschaft noch von einigen positiven makroökonomischen Fundamenten, wie einem guten privaten Haushaltskonsum und einem insgesamt dynamischen Arbeitsmarkt, erklärt Christiane von Berg. „Sie spürt aber seit dem Jahreswechsel zunehmend Gegenwind. Daher haben wir bereits im März unsere Wachstumsprognose für 2019 auf 0,8 Prozent angepasst, nachdem die Wirtschaft im Vorjahr noch um 1,5 Prozent gewachsen ist.“ Die Industrie sieht Coface in einem Abwärtstrend und erwartet keine kurz- bis mittelfristige Verbesserung der Branchenkonjunktur. „Die jährliche Rate der Industrieproduktion ist seit Monaten negativ und sinkt von Raten um plus 6 Prozent im November 2017 auf minus 2 Prozent im April 2019. Auch der Auftragseingang im In- und Ausland ist negativ“, sagt die Coface-Ökonomin: „Motor der Abschwächung ist die deutsche Automobilindustrie.“

Die Automobilproduktion ist von einer jährlichen Rate von 5 Prozent im Februar 2017 auf rund minus 12 Prozent im Frühjahr 2019 gesunken. Seit August 2018 sind im Durchschnitt die negativen jährlichen Produktionszahlen fast durchgehend zweistellig. Auch die Auftragseingänge und Exportzahlen sind auf Jahresbasis negativ. „Zwar haben die deutschen Hersteller ihre Investitionen in die E-Mobilität von 2017 bis 2018 verdoppelt. Insgesamt gingen die Investitionen in die Automobilproduktion jedoch zurück“, bilanziert Christiane von Berg. Global investierten die 16 größten Automobilunternehmen 2017 noch in 156 Projekte im Wert von rund 26,7 Milliarden US-Dollar. 2018 waren es nur 118 neue Projekte im Wert von 22,4 Milliarden US-Dollar.

Metall mit getroffen von Automobil
Eng mit der deutschen Automobilindustrie verbunden ist die Metallindustrie. Viele Vorprodukte für Autos werden in Deutschland hergestellt. Die weit verbreitete reduzierte Nachfrage nach Kraftfahrzeugen deutscher Hersteller schadet damit auch der Metallindustrie. So ist der Auftragseingang seit August 2018 rückläufig und liegt im negativen Bereich gegenüber 2018. Auch die Produktion der Metallbranche ist zurückgegangen und ist seit November 2018 im Jahresvergleich negativ. Hier hat die Produktion von Eisen und Stahl einen besonders negativen Einfluss auf die Gesamtproduktion.

IKT im harten Wettbewerb
Ein steigendes Risiko sieht Coface in der IKT-Branche und hat den Sektor von „niedriges“ in „mittleres Risiko“ herabgestuft. Im harten Wettbewerb hat sich die Stimmung in der Branche erheblich verschlechtert. „Die Auslandsaufträge liegen ständig im negativen Bereich und die Produktion von Computer- und Elektronikprodukten ist seit fast sechs Monaten gegenüber dem Vorjahr rückläufig“, erklärt Christiane von Berg. Sie befürchtet, dass nach der 5G-Auktion in Deutschland, die dem Staat über 6 Milliarden Euro eingebracht hat, für die Unternehmen die Luft dünner wird: „Bei so hohen Lizenzkosten bleibt weniger finanzielle Liquidität für Investitionen in das eigentliche Netzwerk.“

Leichte Schatten auf Pharma-Branche
Wie für IKT sieht Coface auch für die Pharma-Branche ein allgemein „mittleres Risiko“. „Generell ist die aktuelle Geschäftslage der deutschen Pharmaindustrie positiv“, sagt Christiane von Berg. „Die positive Grundstimmung spiegelt sich in den Umsatzzahlen der letzten Jahre wider, und die Margen der Pharmahersteller blieben bis Ende 2018 hoch.“ Allerdings fallen allmählich Schatten auf dieses positive Bild. Die nachlassende Wachstumsdynamik in der deutschen Industrie wirkt sich teilweise auf die Pharmaindustrie aus, obwohl der Gesamteffekt geringer ist als in anderen Branchen. Die Auftragszahlen für pharmazeutische Grundstoffe und deren Herstellung liegen aber seit einigen Monaten unter dem Vorjahr. Außerdem stehen vor allem die großen deutschen Unternehmen nicht mehr in der ersten Reihe. Sie kämpfen mit einem intensiven Wettbewerb, zumal viele Lizenzen für bestimmte medizinische „Blockbuster“-Produkte auslaufen und billigere Generika auf dem Markt sind.

Letztlich dürfte sich die Konjunktur- und Branchenproblematik auch auf die Insolvenzentwicklung auswirken. „Auch wenn nach dem schwachen ersten Quartal 2019 sich die Insolvenzen im Frühjahr wohl wieder etwas beruhigt haben, gehen wir für das Gesamtjahr von wieder insgesamt steigenden Insolvenzzahlen aus“, erklärt Christiane von Berg. Den Anstieg prognostiziert Coface für Deutschland mit 1 Prozent, für Westeuropa mit 2 Prozent.

Weitere Informationen, auch über Veränderungen in anderen Ländern und Branchen: www.coface.de