Die Corona-bedingten Unterbrechungen in den Lieferketten haben bei Unternehmen einer Studie des Kreditversicherers Euler Hermes zufolge Absicherungsmaßnahmen sowie Erwägungen zur Produktionsverlagerung und neue Lieferanten hoch auf die Agenda gerückt.

Allerdings erwägen nur wenige der befragten Unternehmen tatsächlich, die Produktion ins eigene Land zu holen. „Die Tendenz geht eher zum ‚Near-Shoring‘, also zur Verlagerung der Produktion in andere EU-Länder – ein Kompromiss aus geographischer Nähe und Margen-Aspekten,“ so das Ergebnis der Studie.

Von den befragten Unternehmen haben 52 % bereits Maßnahmen ergriffen, um die eigene Lieferkette abzusichern. Betroffen von zeitweiser Unterbrechung dieser seien 94 % der Firmen gewesen, in Deutschland 95. Bei jedem fünften Unternehmen sei es zu „schwerwiegenden Beeinträchtigungen“ gekommen, Deutschland sei mit 16 % etwas weniger stark betroffen gewesen.

Etwas mehr als die Hälfte der befragten Firmen, 55 %, beschäftigen sich laut Studie mit der Verlagerung ihrer Produktion. Allerdings erwägen nur zwischen 10 und 15 %, diese tatsächlich ins eigene Land zurückzuholen.

Mit 30 % der verlagerungswilligen Unternehmen – in Deutschland 44 – tendieren mehr Unternehmen eher zum Nearshoring in andere EU-Länder. Ebenfalls 55 % der Firmen erwägen, sich in den nächsten sechs bis zwölf Monaten neue Lieferanten zu suchen.

„Einige Unternehmen werden ihre Produktion in die Heimat oder deren geographische Nähe verlagern, aber wir erwarten insgesamt aktuell keine rasche und tiefgreifende strukturelle Verlagerung des Handels durch eine starke Relokalisierung – mit Ausnahme von strategischen Sektoren wie beispielsweise im Medizin- und Lebensmittelbereich“, sagte Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Bei der Relokalisierung gebe es auch Risiken. Dazu gehörten hohe Logistik- und Arbeitskosten, die nur teilweise an die Verbraucher weitergegeben werden könnten. Des Weiteren würden aufgrund der verstärkten Automatisierung nicht automatisch durch das Rückholen neue Arbeitsplätze geschaffen. Zudem würde sich das Konzentrationsrisiko erhöhen, sagt Euler-Hermes-Volkswirt George Dib.

Unter den befragten deutschen Unternehmen haben bereits 76 % Lieferanten in der Bundesrepublik – deutlich mehr als die im Schnitt 65 % bei allen befragten Firmen.

Sie fürchten deshalb stärker Konzentrationsrisiken als ihre Pendants in den anderen Ländern. Neben der Suche nach neuen Lieferanten im Inland wollen sich deutsche Unternehmen vor allem in Österreich auf die Suche machen, China und Frankreich spielten aber weiterhin eine wichtige Rolle.

Euler Hermes befragte zwischen Mitte Oktober und Anfang November 2020 insgesamt knapp 1.200 Firmen aus sechs verschiedenen Branchen in Deutschland, den USA, Großbritannien, Frankreich und Italien zu Lieferketten in Zeiten von Corona sowie eventuell geplanten Maßnahmen zur Stabilisierung.

Die Studie ist abrufbar unter:
https://www.eulerhermes.com/content/dam/onemarketing/ehndbx/eulerhermes_com/en_gl/erd/publications/pdf/2020_10_12_SupplyChainSurvey.pdf