Der BGA und auch der AHV NRW fordern die Ratifizierung des EU-MERCOSUR- Assoziierungsabkommens. Insbesondere durch den Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen, einem gleichwertigen Zugang zum öffentlichen Beschaffungsmarkt sowie einem verbesserten Zugang zu dem Dienstleistungsmarkt bietet das Abkommen erhebliche Vorteile für Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks.

Zudem wird das Abkommen durch verbindliche Regeln zur Nachhaltigkeit einen positiven Einfluss auf Umwelt- und Sozialstandards in den MERCOSUR-Ländern haben. Das Abkommen würde der EU ermöglichen, sich in Lateinamerika geoökonomisch und -politisch gegenüber den globalen Wettbewerbern zu behaupten.

 

  1. Vorwort

Das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Staaten des MERCOSUR – Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay – beinhaltet wichtige Bestimmungen zu mehr politischem Dialog, Kooperation und Handel. Am 28.06.2019 wurde nach fast 20-jähriger Verhandlungsdauer eine Einigung über den Handelsteil erzielt. Der MERCOSUR-Raum ist mit 260 Mio. Konsumenten ein wichtiger Markt für exportorientierte Unternehmen aus Deutschland. Dabei handelt es sich um die fünftgrößte Volkswirtschaft außerhalb der EU mit einem BIP von jährlich rund 2,2 Billionen EUR. Mit dem Abkommen würde eine der weltweit größten Freihandelszonen mit mehr als 700 Millionen Menschen entstehen.

Der BGA und auch der AHV NRW fordern die zeitnahe Ratifizierung des EU-MERCOSUR-Assoziierungsabkommens. Es wird auf beiden Seiten den Austausch von Waren und Dienstleistungen erheblich erleichtern: Das reicht vom Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen bis hin zu einheitlichen Regeln für die Sicherheit der Verbraucher. Auch Umwelt und Gesellschaft profitieren vom Abkommen: Beide sollen durch verbindliche Regelungen besser geschützt werden. Ein kompromissloses, nachträgliches Anheben der Anforderungen an das Abkommen lehnen wir ab. Es würde nur dazu führen, dass die EU am Ende komplett ohne Abkommen dasteht.

 

  1. Erhebliche Vorteile für beide Seiten

Durch das Handelsabkommen würden Zölle auf 91 % des Warenhandels, die bislang vor allem seitens des MERCOSUR mit hohen Zöllen belegt sind, abgeschafft. Zum Teil mit Übergangsfristen. Hohe Zölle bestehen beispielsweise derzeit auf Autos (35 %), Autoteile (14 bis 18 %), Maschinen (14 bis 20 %), Chemikalien (bis zu 18 %), Kleidung (bis zu 35 %) oder Pharmazeutika (derzeit bis zu 14 %).

 

Auch deutsche Landwirte und Produzenten von Agrar- und Ernährungsgütern würden besonders von den neuen Absatzchancen profitieren. Europäische Lebensmittelexporte erhalten weitgehende Zollfreiheit. Die EU-Kommission schätzt, dass dadurch europäische Unternehmen Zölle im Wert von 4 Milliarden Euro pro Jahr sparen werden.

Mit dem Abbau der Zölle werden deutsche und europäische Exportgüter auf dem MERCOSUR-Markt wettbewerbsfähiger. Maßgeblich profitieren würden die Unternehmen aber auch von einer Verbesserung des Zugangs deutscher Unternehmen zum Dienstleistungsmarkt des MERCOSUR sowie an der Möglichkeit, sich an der Ausschreibung öffentlicher Aufträge in einem der MERCOSUR-Länder zu beteiligen. Darüber hinaus wurde auch der Schutz von 357 traditionellen, europäischen Erzeugnissen vereinbart, für die geografische Angaben anerkannt sind. Diese werden nun auch vor Nachahmung in den vier Ländern des MERCOSUR geschützt.

Umgekehrt wird die EU ihre Zölle für 92 % aller Importe aus dem MERCOSUR abschaffen. Die EU wird innerhalb von zehn Jahren eine Vollliberalisierung der Industriegüter vornehmen. Für europäische Verbraucher werden durch die Zollsenkungen Produkte aus dem MERCOSUR erschwinglicher. Mit dem Wegfall erheblicher Handelskosten in Form von Zöllen, eröffnen sich für alle MERCOSUR-Länder im Abkommen mit der EU vielfältige Möglichkeiten der weiteren Einbindung in ausgelagerte Produktionsschritte. Insbesondere die kleineren MERCOSUR-Länder würden erheblich profitieren, da durch die Marktöffnung infolge des Abkommens Technologietransfer und ein effizienterer, bzw. preisgünstigerer, Zugang zu hochwertigeren Importen möglich werden.

Für die Mitgliedsstaaten des MERCOSUR eröffnet das Abkommen auch die Möglichkeit, sich strategisch besser gegenüber der Pazifikallianz (Chile, Kolumbien, Peru, Mexiko, Ecuador) zu positionieren, mit der sie in Südamerika im Wettbewerb um ausländische Investoren und Absatzmärkte stehen. Zudem könnte das Abkommen zur Verringerung der aktuellen wirtschaftlichen Abhängigkeit der MERCOSUR-Region von Exporten von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Gütern nach China beitragen.

Ein besonderer Schutz würde Sektoren zuteil, die durch den Wettbewerb unter besonders großen Druck geraten könnten. Für einige Sektoren sieht das EU-MERCOSUR-Abkommen speziell ausgehandelte Quoten vor. Es wird zudem explizit der Einsatz sogenannter temporärer bilateraler Schutzmaßnahmen erlaubt, sofern heimische Wirtschaftszweige durch einen massiven Importanstieg im Zuge gewährter Zollpräferenzen existenziell gefährdet werden.

Der Handel ist für das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen auf beiden Seiten des Atlantiks von entscheidender Bedeutung. Die EU-Kommission schätzt, dass allein die Ausfuhren der EU nach Brasilien bereits 855.000 Arbeitsplätze in der EU sichern und weitere 436.000 Arbeitsplätze in Brasilien. Der brasilianische Industrieverband CNI erwartet eigenen Schätzungen eine Steigerung der Ausfuhren um 23,6 % in zehn Jahren und die Schaffung von bis zu 778.000 neuen Arbeitsplätzen in Brasilien.

 

  1. Pioniervorteil für die EU

Die EU wäre der erste wichtige Handelspartner, der über ein Handelsabkommen mit dem MERCOSUR verfügt. Dies würde ihren Unternehmen einen weitaus besseren Zugang zu diesem wichtigen Markt verschaffen als Unternehmen aus anderen Ländern. Das Abkommen würde der EU ermöglichen, sich in Lateinamerika geoökonomisch und -politisch gegenüber globalen Wettbewerbern (z.B. USA, China) zu behaupten und den regelbasierten Welthandel zu verteidigen.

Dies ist dringend nötig, denn China ist inzwischen mit klarem Abstand der wichtigste Absatzmarkt für die Mitgliedstaaten des MERCOSUR und hat der EU den Rang abgelaufen. Während beispielsweise die Exporte des MERCOSUR nach China im Jahr 2000 lediglich rund 2 % seiner Gesamtexporte ausmachten, stieg diese Quote in den darauffolgenden 20 Jahren rasant auf nunmehr 29,7 %. Die EU stagnierte hingegen im Jahr 2020 bei 14,4 %und die USA bei 10,2 %.

Auch auf der Importseite zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Chinas Anteil an den MERCOSUR-Importen hat in den letzten 20 Jahren rasant zugenommen. Im Jahr 2020 war es mit einem Importanteil von 25 % an den Gesamteinfuhren schon der wichtigste Importpartner des MERCOSUR im Güterhandel. Die EU kam nur noch auf einen Anteil von 18,2 % und die USA auf 15,8 %.

Um nicht völlig den Anschluss zu verlieren, sollten die EU-Mitgliedstaaten ihr geostrategisches Interesse als Europäer daher über nationale und Partikularinteressen stellen. Darüber hinaus hat auch die aktuelle Corona-Krise gezeigt, wie wichtig es ist, internationale Lieferketten stärker zu diversifizieren, um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden.

 

  1. Positiver Einfluss auf Umwelt- und Sozialstandards

Durch regelbasierten Handel wird nicht nur Wohlstand generiert, sondern es können auch ökologische und soziale Standards gestärkt werden. Die EU und MERCOSUR sind sich einig, dass sie keine Arbeits- oder Umweltstandards senken werden, um den Handel zu fördern und Investitionen anzulocken. Insbesondere über Waren, die in die EU exportiert werden, wird das Abkommen dazu beitragen, dass europäische Umweltstandards auch in Lateinamerika durchgesetzt werden.

Es wurde darüber hinaus festgelegt, dass die Länder die Bedeutung einer nachhaltigen Forstwirtschaft anerkennen und Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags und des Holzhandels ergreifen müssen. Das Abkommen bekräftigt, dass alle beteiligten Regierungen das Pariser Klimaabkommen umsetzen sollen. Dieses beinhaltet beispielsweise eine Zusage Brasiliens, seine Netto-Treibhausgasemissionen bis 2025 um 37 % gegenüber 2005 zu senken sowie Maßnahmen zum Stopp der illegalen Abholzung zu ergreifen, auch im brasilianischen Amazonasgebiet.

Eine Abkehr vom EU-MERCOSUR-Abkommen würde keinen Beitrag dazu leisten, die Problematik der illegalen Entwaldung zur Schaffung von Weidefläche in Brasilien zu lösen. Brasilien exportiert inzwischen schon fast das Siebenfache an Rindfleisch nach China. Und diese Tendenz hält an. Auch bei Ausschöpfung der neuen Quoten würde sich der Anteil der EU am Export brasilianischen Rindfleisches nicht wesentlich erhöhen.

Es wird erwartet, dass das aktuell zum vollen Zoll eingeführte Fleisch dann im Rahmen der neuen Einfuhrkontingente eingeführt werden würde.

Durch das Abkommen ändert sich auch nichts an der Art und Weise, in der die EU ihre Vorschriften für die Sicherheit von in der EU erzeugten sowie von importierten Lebensmitteln annimmt und durchsetzt. Zudem wird durch das „Vorsorgeprinzip“ sichergestellt, dass die EU und die MERCOSUR-Länder auch in Zukunft die Gesundheit und die Umwelt schützen können, selbst wenn sich dies auf den Handel auswirkt, auch in Fällen, in denen die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht eindeutig sind.

Auch wenn die im EU-MERCOSUR-Abkommen festgelegten Bestimmungen zur Nachhaltigkeit, wie auch in allen anderen EU-Handelsabkommen, nicht durch einen sanktionsbasierten Streitbeilegungsmechanismus abgedeckt sind, ist das Abkommen in dieser Hinsicht kein „zahnloser Papiertiger“. Anstelle eines einklagbaren Sanktionierungsmechanismus für den Fall der Verletzung von Vertragsbestimmungen, setzt das EU-MERCOSUR-Abkommen auf Dialog und Kooperation zur Beilegung von Streitigkeiten. Dass ein solcher Ansatz nicht zu schwach ist, belegt eine Analyse der ILO von 260 Handelsabkommen. Dort konnte nicht festgestellt werden, dass ein konfrontativer Ansatz mit Sanktionen in der Vergangenheit effektiver gewesen sei. Empirische Forschungsergebnisse legen zudem nahe, dass der dialog- und kooperationsorientierte Durchsetzungsmechanismus in EU-Handelsabkommen sehr effektiv sein kann. EU-Handelsabkommen hatten demnach nachweislich einen positiven Einfluss auf die Umsetzung von Umweltbestimmungen und nationalen Umweltgesetzgebungen.

Anlage:

BGA-Position EU-MERCOSUR-Abkommen