Aus dem AHV NRW Magazin: Exportkontrolle: (Ent-)Haftung der Geschäftsführung
Exportkontrolle: (Ent-)Haftung der Geschäftsführung
Wie ein „Internal Compliance Program“ wirksam schützen kann
Text: Matthias Merz
Geschäftsführer und Vorstände haften in Deutschland persönlich für organisationsbedingte Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht. Kann man als Verantwortlicher noch ruhig schlafen, wenn jederzeit ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsrecht droht? Die gute Nachricht: Ja, denn es gibt ein wirksames Mittel, sich gegen die drohende Haftung abzusichern.
Ein Exportunternehmen hat in den letzten Monaten auf Anweisung der Geschäftsleitung das Russlandgeschäft wegen des Embargos eingestellt, da die Waren in den Güterlisten des Russland-Embargos erfasst und damit für diesbezüglichen Verkauf, Lieferung und Ausfuhr verboten sind. Nun kommen Anfragen aus anderen Ländern, die vermuten lassen, dass die eingestellten Russlandlieferungen über Drittländer beschafft werden sollen. In der falschen Annahme, dass dann kein direkter Bezug zu Russland besteht oder erkennbar ist, veranlasst die Geschäftsführung die Lieferungen, hält es aber aufgrund der Geschäftsdetails für durchaus möglich, dass die Lieferungen anschließend weiter nach Russland gehen. Allerdings macht sie sich damit strafbar, denn auch die Umgehung und Verschleierung von scheinbar nicht embargorelevanten Geschäften stellt einen Embargoverstoß und damit eine Straftat nach dem Außenwirtschaftsgesetz dar.
Dieses Praxisbeispiel verdeutlicht die Verantwortung und Haftung der Unternehmensleitung im Exportkontrollbereich. Das Sprichwort „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ gilt auch hier.
Exportkontrolle ist Chefsache: der/die Ausfuhrverantwortliche
Unternehmen, die gelistete Güter exportieren, müssen dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) einen/eine Ausfuhrverantwortlichen/Ausfuhrverantwortliche als Mitglied der Geschäftsleitung benennen, wenn sie Einzelgenehmigungsanträge stellen müssen. Unter dem Begriff „gelistete Güter” versteht man im Rahmen der Exportkontrolle Waren, Software und Technologien, die in speziellen Güterlisten aufgeführt sind. Diese Listen enthalten sogenannte Dual-Use-Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Die Ausfuhr solcher gelisteten Güter aus der EU ist häufig genehmigungspflichtig und in einigen Fällen sogar verboten. Gleiches gilt für Güter, die besonders konstruiert sind für militärische Zwecke und die in Teil I Abschnitt A der deutschen Ausfuhrliste erfasst sind, wenn diese aus Deutschland heraus geliefert werden sollen.
Ausfuhrverantwortliche sind insbesondere für die Aufsicht, Überwachung und Organisation der Exportkontrolle zuständig. Je nach Rechtsform des Unternehmens müssen sie Mitglied des Vorstandes, der Geschäftsführung oder ein vertretungsberechtigter Gesellschafter sein. Diese Funktion kann nicht delegiert werden. Exportkontrolle ist somit zurecht Chefsache!
Die gleiche Verantwortung für die Einhaltung der allgemeinen Zoll- und Exportkontrollvorschriften trifft aber auch die Geschäftsführung von Unternehmen, die aufgrund eher unkritischer Produkte keinen Ausfuhrverantwortlichen benennen müssen. Denn auch beim Export nicht gelisteter Güter sind Sanktionslisten, kritische Endverwendungen und Embargos zu beachten.
Die Einhaltung der Exportkontrollvorschriften ist ein heikles Pflaster. Damit Verantwortliche nicht ins Stolpern geraten, gibt es ein Mittel, das Exportkontrollprozesse „sturmfest“ macht: das „Internal Compliance Program (ICP)“.
Das „Internal Compliance Program“ als Schutzschild gegen persönliche Haftung
Ein Internal Compliance Program ist ein unternehmensinternes Kontrollprogramm, das die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sicherstellen kann. Das ICP macht die Exportkontrolle durch standardisierte Abläufe weniger fehleranfällig und transparent. Eine Blaupause für ein ICP gibt es nicht. Vielmehr kommt es darauf an, dass das interne Exportkontrollsystem auf das jeweilige Unternehmen zugeschnitten ist und sich im Alltag bewährt. Ein wichtiger Faktor für ein professionell aufgestelltes ICP: gut geschultes Personal und regelmäßige Sensibilisierungen.
Ein ICP in der Exportkontrolle spielt eine entscheidende Rolle, um die Unternehmensleitung vor persönlichen, rechtlichen Konsequenzen und Haftung bei Verstößen gegen das Außenwirtschaftsrecht zu schützen. Mit einem professionell eingerichteten ICP weist die Geschäftsführung nach, dass sie alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu gewährleisten. Dies kann im Einzelfall enthaftende Wirkung haben!
Ein ICP kann auch eine enthaftende Wirkung haben, indem es die individuelle Verantwortung von der Geschäftsführung auf Compliance-Beauftragte oder -Abteilungen überträgt. Dadurch wird das persönliche Haftungsrisiko des Managements zumindest reduziert. Sollte es trotz aller Vorkehrungen zu Verstößen kommen, kann das Vorhandensein und die effektive Umsetzung eines ICP dazu beitragen, straf- oder zivilrechtliche Konsequenzen abzumildern oder eine sanktionsbefreiende Offenlegung durchzuführen. Die Behörden und Gerichte könnten anerkennen, dass es sich um individuelle Arbeitsfehler handelt, die trotz eines gut implementierten Systems aufgetreten sind.
Neubürger-Urteil zu Compliance-Systemen
Das sog. Neubürger-Urteil des Bundesgerichtshofs unterstreicht die Bedeutung von Compliance-Systemen (BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 – II ZR 152/18). Das Urteil verdeutlicht, dass ein gut aufgestelltes ICP nicht nur die Wahrscheinlichkeit von Verstößen im Bereich Exportkontrolle reduziert, sondern auch die persönliche Haftung der Geschäftsführung begrenzt. Das Urteil zeigt, dass die Verantwortung der Geschäftsführung nicht nur darin besteht, ein solches System einzurichten, sondern auch dafür zu sorgen, dass es wirksam und kontinuierlich umgesetzt wird.
Fazit: Machen Sie Ihre Exportkontrolle „sturmfest“! Ein Internal Compliance Program beugt zum einen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsrecht vor und ist zum anderen ein wirksamer Schutzschild gegen die Haftung der Geschäftsführung, sollte es doch zu einem Verstoß kommen. ◀
Quellen:
Dr. Stephan Benz – Compliance in der Außenwirtschaft, erschienen im Zoll-Profi 07/2024
BAFA – Merkblatt firmeninterne Exportkontrolle (ICP) (3. Auflage/April 2022)
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Matthias Merz
Geschäftsführer der AWA AUSSENWIRTSCHAFTSAKADEMIE GmbH
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