Aus dem AHV NRW Magazin 2024: Entsendebürokratie auf dem Rückzug?

Aktualisiert: 29.11.20242,8 min. Lesezeit

Entsendebürokratie auf dem Rückzug? 

 

 

Text: Martin Fischer 

 

Eine Studie, die das Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat, kam zu einem eindeutigen Ergebnis: Entsendungen in das EU-Ausland sind weit davon entfernt, einfach zu sein. 

Ziel der europäischen Rechte auf Dienstleistungsfreiheit (Artikel 56 AEUV) und Arbeitnehmerfreizügigkeit (Artikel 45 AEUV) ist die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes für Dienstleistungen ohne Hürden – oder realistischerweise zumindest mit möglichst wenigen Hürden. Aber selbst davon ist die aktuelle Situation weit entfernt. 

Wenn grenzüberschreitend Dienstleistungen erbracht werden sollen, gelten in der EU derzeit 27 verschiedene Registrierungspflichten – in jedem Mitgliedsstaat eine eigene. Immerhin hören manche Meldestellen auf schön klingende Akronyme wie zum Beispiel SIPSI (Frankreich) oder LIMOSA (Belgien). Ansonsten überwiegen aber leider die schlechten Nachrichten: 

Eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung, die im Jahr 2023 im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt wurde, kam am Beispiel von Entsendungen nach Deutschland, Österreich, Frankreich und in die Niederlande zu dem Ergebnis, dass die Belastungsintensität sehr hoch ist: auf einer Skala von 1 (keine Belastung) bis 10 (sehr hohe Belastung) bewerteten nahezu alle Befragten die Belastungsintensität mit einer Punktzahl zwischen 8 und 10. Nicht nur kleine, auch mittlere und größere Unternehmen fühlen sich von der Vielzahl der unterschiedlichen Entsenderegeln und -verfahren in den EU-Mitgliedstaaten überfordert. Auf der anderen Seite sehen und verstehen alle Befragten die Intention der Regulierung – vor allem: Arbeitsschutz und Verhinderung von Sozialdumping – und unterstützen sie. 

Die Frage ist also, wie man die Belastungsintensität deutlich verringern und gleichzeitig die Arbeitsstandards aufrechterhalten kann. Einen deutlichen Fortschritt könnte eine europaweit möglichst einheitliche Regelung bringen. Und hierfür gibt es einen Silberstreif am Horizont: Am 24. Mai 2024 haben Deutschland, die tschechische Republik, Litauen, Irland, Polen, Griechenland, Slowenien, Ungarn und Portugal eine gemeinsame Erklärung zur Einführung der e-Declaration abgegeben. Kernstück dieser Erklärung ist die Beschränkung auf bestimmte Informationen, die abgefragt werden. Die erklärenden Staaten verpflichten sich dazu, nur bestimmte Informationen 

  • zum Unternehmen des Leistungserbringers (insbesondere Kontaktdaten, Branche, Art der Entsendung, Umsatzsteuer-ID), 
  • zu der entsandten Person (insbesondere Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Ausweisnummer, Stellentitel/-beschreibung), 
  • zur Entsendung selbst (insbesondere voraussichtlicher Beginn und erwartete Dauer, genauer Arbeitsort), 
  • zur Kontaktperson im Gastland (insbesondere Identität und Kontaktdaten), und 
  • zur Leistungsempfängerin (insbesondere Identität und Adresse) 

abzufragen. Sie können weniger anfordern, aber nicht mehr. 

Idealerweise geht diese Selbstbeschränkung einher mit einem anwenderfreundlichen Online-Meldeportal. Insofern ist die tschechische Republik vorangeschritten. Dort gibt es seit dem 1. Juli 2024 ein Meldeportal, das die Selbstverpflichtung schon implementiert. Weitere gute Nachrichten kommen von der EU-Kommission, die sich im März 2024 in einem Paper zur Linderung des Fachkräftemangels in der EU ausdrücklich zur Schaffung eines europaweiten Meldeportals bekannt hat. Außerdem spricht man sich dort dafür aus, auch die sozialversicherungsrechtliche Meldung zu digitalisieren. Möglicherweise kann man in der Zukunft sogar beide Meldungen kombinieren – das wäre eine weitere signifikante Vereinfachung der Entsendebürokratie. ◀ 

 

Martin Fischer 
Ausländisches Wirtschaftsrecht 

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Dieser Artikel ist auch im AHV NRW Magazin 2024 zu finden oder Sie können den Artikel hier als PDF herunterladen:

 

 

 

 

 

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